Was ist Stormchasing?
Fast jeder Sturmjäger – Stormchaser – hat vermutlich den Film „Twister“ gesehen und auch für mich war das die erste Begegnung mit der Thematik. Vielleicht eine Erklärung für alle, die glauben, Stormchasing sei eine Art Katastrophentourimus: ja es geht darum, Unwetter zu jagen, die ein enormes Zerstörungspotential haben, aber die Faszination geht weniger von der Zerstörung als von den beeindruckenden Strukturen und Formen, die diese Gewitterzellen hervorbringen, aus. Für uns Landschaftsfotografen sind diese gewaltigen Gewitterzellen – auch Superzellen genannt – einfach unglaublich tolle Fotomotive. Hinzu kommt dass viele der amerikanischen Chaser und Spotter eng mit den Wetterstationen und lokalen Fernsehsendern in Kontakt stehen, so kann häufig schon direkt nach der Entstehung eine Tornado-Warnung an die Bevölkerung herausgegeben werden.
Eine Superzelle in Kansas
Wie wird man zum Sturmjäger?
Disclaimer vorab: ich würde mich (noch) nicht als Sturmjäger bezeichnen. Vor meinem Trip in die Great Plains habe ich keine einzige Gewitterzelle geplant gejagt. Daher möchte ich mich hier auch gar nicht an Erklärungen, wie Gewitter entstehen, versuchen, sondern verweise auf das Buch Fotografieren mit Wind und Wetter* von Bastian Werner, welches die Thematik sehr gut erklärt. Eine erste Einführung findet man auch auf seiner Website www.bastianw.de
Zwischen verschiedenen Zellen bei Winona, Kansas
Was braucht man?
Ohne Radar geht gar nichts. Denn um wirklich gezielt die Gewitterzellen anfahren zu können, braucht man eine dauerhafte Satellitenverbindung. Es gibt verschiedene Websites und Apps, die Live-Wolkenbilder und Zugbahnen der Zellen zeigen. Besonders empfehlenswert ist RadarScope (www.radarscope.io – für iOS und Android, ca. 10 €) , eigentlich das Non-Plus-Ultra unter den Radar-Apps. Man kann auch einen Account von Spotter Network einbinden und damit sehen, welche Zellen von den anderen Stormchaser angefahren werden.
Um ständig auf mobile Daten zugreifen zu können, empfiehlt sich eine amerikanische Prepaid-SIM-Karte. Wir hatten im Vorfeld eine SIM-Karte von AT&T mit 5 GB Daten über ReiseSIM.de bestellt (Kosten ca: 55 €). Wer nicht sicher ist, wieviel Daten er braucht: wir haben in der einen Woche für RadarScope, Google Maps und Hotelbuchungen etwa 1.2 GB verbraucht.
Die Entscheidung über das Zielgebiet, welches wir angesteuert haben, wurde mit Hilfen der Daten des Storm Prediction Center aus Norman, Oklahoma getroffen. Das Storm Prediction Center liefert auch die Daten für die Wetterberichte im Fernsehen. Website: www.spc.noaa.gov
Eine Shelfcloud im Satellitenbild von RadarScope
Erwartungsmanagement
Wir waren eine Woche zur Prime Time in der „Tornado Alley“ unterwegs. Die Gewittersaison beginnt – je nach Bundesstaat – meist im März und erreicht ab Mitte Mai ihren Höhepunkt. Als besonderer Hotspot für Superzellen, die auch Tornados produzieren, gilt die Panhandle Region von Texas & Oklahoma sowie der Westen von Kansas. Nachdem ich viele hundert an beeindruckenden Fotos gesehen hatte, waren meine Erwartungen entsprechend hoch. Aber eine Woche ist einfach zu wenig, denn auch in der Hauptsaison gibt es immer wieder Tage, an denen die Wetterlage vergleichsweise ruhig ist. Wir hatten so eine ruhige Woche erwischt und mussten insgesamt knapp 5500 km fahren, um einige Zellen mit schönen Strukturen zu erwischen. Insgesamt waren wir dennoch zufrieden mit dem Ergebnis, allerdings bekamen wir erst an unserem letzten Chase-Tag eine wirklich beeindruckende Superzelle mit Shelfcloud zu Gesicht. Kurz gesagt: man sollte bei seinem ersten Stormchasing-Trip nicht erwarten, direkt richtig „abzuräumen“. Es gehört viel Erfahrung dazu, und natürlich auch etwas Glück – und man sollte deutlich mehr Zeit als wir einplanen, um seine Chancen zu erhöhen. Man wird einfach nicht innerhalb einer Woche zum (erfolgreichen) Stormchaser.
Abklingende Superzelle nördlich von Las Vegas, New Mexico
Welche Region eignet sich?
Wie erwähnt haben wir uns am Vorabend und früh morgens die aktuellen Vorhersagen des Storm Prediction Center angeschaut und unsere Route entsprechend danach ausgerichtet. Dabei waren wir anfangs auch in Zentral-Texas und in New Mexico unterwegs – beides Regionen, die ich für das Stormchasing nur bedingt empfehlen kann. New Mexico ist bergig und damit sehr unübersichtlich und der Osten ist wüstenartig und sehr dünn besiedelt – entsprechend großmaschig ist das Straßennetz. Während die Prärie-Staaten Kansas und Oklahoma aufgrund der Farmen meist schachbrettartig aufgebaut sind und man einfach nach ein paar Meilen wieder auf eine Querstraße trifft, waren wir in New Mexico locker 30 oder mehr Meilen unterwegs, ohne irgendwo abbiegen zu können. Ein optimales Positionieren wird so schwierig und die mögliche Flucht vor Hagel (die größte Gefahr beim Stormchasing) und plötzlich auftauchenden Windhosen zu einer gefährlichen Angelegenheit. Insofern bieten sich der flache Norden von Texas sowie der Westen von Oklahoma & Kansas, der Osten von Colorado & Wyoming und große Teile von Nebraska deutlich besser an – voraussgesetzt natürlich, es wird dort „severe weather“ (Unwetter) vorausgesagt.
In unserem Fall sah ein typischer Stormchasing-Tag wie folgt aus: unterwegs haben wir ein Motel im Zielgebiet gebucht, dort sind wir am mittleren Nachmittag eingetroffen und nach kurzer Pause ging es dann los. Die starken Gewitter entstehen meist am Nachmittag und lösen sich häufig erst im Verlauf des Abends oder der Nacht auf. Auf solch einem Chase waren wir durchschnittlich 4-5 Stunden unterwegs und haben dabei etwa 400-450 km zurückgelegt, so dass wir zwischen 21 und 22 Uhr meist zurück im Motel waren.
Gewitterzelle über typischem Farmland in Kansas
Der fotografische Part
Bei der Gewitterfotografie gibt es eine Devise: es gibt nicht zuviel Weitwinkel! Ich habe mit meinem Tamron 15-20mm VC f2.8* an der Nikon D750* fast ausschließlich mit 15mm fotografiert und hätte mir das eine oder andere Mal sogar noch etwas mehr Weitwinkel gewünscht. Auch sollten Kamera und Objektiv möglichst lichtstark sein, denn nicht immer wird man die Zeit finden, sein Stativ aufzustellen.
Wer mehr über unser Stormchasing-Abenteuer erfahren will, der findet auf meinem YouTube-Kanal eine Playlist zur Vlog-Reihe „Chasing the Storm“. Viel Spaß beim Anschauen 🙂
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2 Comments
Ich lebe in Connecticut und wenn Tornados und Hurrikans mir eigentlich Angst machen, finde ich es doch auch ein wenig faszinierend. Tolle Bilder im Beitrag.
Danke Stefanie 🙂